Das Kap der guten Hoffnung ist nicht der suedlichste, sondern bloss der suedwestlichste Punkt Afrikas; der suedlichste Punkt ist Kap Agulhas, das ein paar Kilometer weiter oestlich liegt - aber wen kuemmerts, soll ich als Binnenlaender mit Beweisfotos von einem voellig unbekannten Stueck Felsen heimkommen! Offenbar denken auch die chinesischen und indischen Touristen so pragmatisch, fuer einen geographisch irrelevanten Punkt war in der Vorsaison ziemlich viel los.
Das Kap hat ja einen ziemlich ueblen Ruf in der christlichen Seefahrt, und wie ich feststellen durfte nicht zu Unrecht. Bereits der Weg dorthin ist uebersaet von Andenken an gesunkene Schiffe. Vor wenigen Wochen erst ist ein Fischkutter gesunken, ein paar an den Strand gespuelte Wrackteile durfte ich hoechstpersoenlich bewundern. Etwas suedlich von Kapstadt hat im September ein tuerkischer Frachter das Kunststueck fertiggebracht auf Grund zu laufen und sitzt dort nun auf einer Sandbank auf. Mir ist das Schiff bereits beim Laufen aufgefallen, dachte aber das ankert bloss ein paar Tage dort; die Ladung wurde geloescht, kurz danach ging die Reederei pleite, und nun will keiner die Bergung des Wracks bezahlen - mit ein bisschen Glueck kann sich daraus eine dauerhafte touristische Einrichtung entwickeln.
Das zweitberuehmteste Wrack liegt aber zweifellos direkt zu Fuessen des Kaps der guten Hoffnung. Selbst wenn man mit dem Begriff "Birkenhead" ansonsten nicht viel anfangen kann, so kennt selbst eine Landratte wie ich die Regel "Frauen und Kinder zuerst". Diesen Befehl hat der Kapitaen naemlicher Fregatte ausgegeben als das Schiff im Februar 1852 vor dem Kap auf einen Felsen aufgelaufen ist, mit dem Effekt dass alle Frauen und Kinder, die als Passagiere an Bord waren, ueberlebt haben, waehrend die knapp 500 Soldaten einschliesslich aller Offiziere und des Kapitaens pflichtschuldigst ersoffen sind. Die post mortem verliehenen Tapferkeitsmedaillen haben nachfolgende Seeleute offenbar so motiviert, dass sich diese Regel seither als Standard etabliert und das frueher gebraeuchliche "Jeder fuer sich" ersetzt hat.
Noch beruehmter ist nur "Der fliegende Hollaender", und das nicht erst seit Richard Wagner oder Johnny Depp. Dieses sagenumwobene Geisterschiff ist ebenfalls, zumindest in diesem Punkt sind sich alle Varianten und Ausschmueckungen einig, vor dem Kap der guten Hoffnung gesunken. Selbst der spaetere Koenig George V. soll waehrend seiner Zeit bei der Marine das Schiff gesehen haben; dies ist auch im Logbuch protokolliert. Nun ja, welcher Kapitaen haette schon die Eier seinem spaeteren Vorgesetzten, der nicht zuletzt ueber eine allfaellige Ernennung zum Admiral bestimmen wird, zu sagen er soll im Dienst weniger trinken. Bei mir war heute wie bereits erwaehnt wunderbares Wetter, und da laesst sich der Fliegende Hollaender bekanntlich gar nicht blicken.
Dafuer hatte ich die Ehre einen Wal zu erspaehen, keine 50m vom Ufer entfernt. Wenn ich daran denke wie seekrank ich bei meiner ersten Whale Watching-Expedition wurde kann ich nur den Kopf schuetteln wie einfach das heute war. Waehrend uns die Amerikaner ueber die verschiedenen gesichteten Wale semiwissenschaftliche Vortraege gehalten haben, war das heute schlicht ein "Right Whale". Auf die dumme Frage des Auslaenders kam die mindestens ebenso dumme Antwort: die Viecher heissen Right Whale weil die hollaendischen Walfaenger seinerzeit diese Walart als die "Richtige" zur Jagd identifiziert hatten. Nicht nur dass sie viel Fleisch und Fett haben, leicht aufzuspueren und zu harpunieren sind, diese Walart hat gegenueber allen anderen den Vorteil, dass sie auch als Kadaver noch mindestens 24 Stunden nicht sinken. Man musste also nur eine Fahne zur Markierung reinstecken und konnte sie im Schlepptau energiesparend transportieren und weiter auf die Pirsch gehen, waehrend man beispielsweise einen Buckelwal oder Blauwal an Bord nehmen muss, weil er sofort nach dem Exitus sinkt und der Ausflug nach dem ersten Fang somit beendet ist.
Bloss ein weisser Hai wollte mir bislang nicht vor die Linse springen, obwohl vor den Kuesten Suedafrikas und Westaustraliens die Surfer ja regelmaessig als Gabelfruehstueck enden und es auf jedem Strand hier nicht nur die ueblichen Rettungsschwimmer, sondern sogar eigene Hai-Spaeher gibt. Zwei Exemplare dieser Spezies habe ich am Nachmittag friedlich schlafend neben ihre "Cola"-Flaschen angetroffen, wie so vieles ist also auch diese Einrichtung in Suedafrika in erster Linie gut gemeint.
Wenn ich schon bei meinem Lieblingsthema bin, ich hab mich noch ein wenig mit den oekonomischen Verhaeltnissen im Land beschaeftigt. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 25%, Schaetzungen gehen davon aus, dass sie real um gut 10% hoeher ist. Das Prekaere daran ist, dass sie in der Altersgruppe von 15 - 25 bei etwa 50% liegt. Gleichzeitig sind mehr als eine Million offene Stellen gemeldet, leider haben die meisten der jungen Arbeitslosen aber so gut wie keine formale Bildung, dh man wird fuer sie auf die eine oder andere Art noch sehr lange zahlen muessen. So eine Konstellation hat schon oft fuer nachhaltigen Aerger gesorgt. Soweit ich das erkennen kann hat keine der aktiven politischen Parteien eine wirkliche Strategie das Problem zu adressieren, die Schwarzen bauen auf Kommunismus und Verstaatlichung, waehrend die Weissen hoffen dass HIV das Problem zumindest hinsichtlich der Groessenordnung reduzieren wird; das ist nicht meine Deutung, so wurde es mir tatsaechlich erlaeutert. Wo sind sie hin, die Zeiten eines Cecil Rhodes.
Zum Abschluss das Bonmot eines Park Rangers, nachdem ich mich lautstark ueber die unglaublich schleppend vorangehende Abfertigung beim Eingang zum Nationalpark echauffiert habe: ihr Europaeer habt Uhren, und wir hier in Afrika haben Zeit.