Montag, 31. Oktober 2011

Turkish Delights

In bewaehrter Extremtouristenmanier habe ich mir diesmal also Istanbul vorgeknoepft. Der Vorteil der dichten Besiedelung ist, dass man in relativ kurzer Zeit ziemlich viel sehen kann. Die Altstadt mit Hagia Sophia, Blauer Moschee, Hippodrom, Topkapi-Palast, Zisterne, Gewuerzmarkt und Grossem Bazar zum Aufwaermen, danach weiter ueber die Galata-Bruecke zum Taksim-Platz und ueber die Atatuerk-Bruecke zurueck zum Sirkeci Quay. Dort ist eine Faehre das Transportmittel der Wahl um Goldenes Horn und Bosporus stressfrei zu erkunden.

An Schwimmen ist in der Drecksbruehe am Eingang zum Schwarzen Meer ohnehin nicht zu denken, zumal nicht bei diesen fuer mich gefuehlten arktischen Temperaturen. Auch aus dem geplanten Fussweg von Asien nach Europa ueber eine der beiden Bruecken (Bosporus oder Sultan Mehmet) wurde leider nichts, weil das Betreten aufgrund der haeufigen Selbstmorde strikt untersagt ist. Als ob man auf der Bruecke nicht aus dem Auto aussteigen und hupfen koennte, oder mit dem Porsche Cayenne gleich die Leitschiene mitnimmt wenn die Leasingraten schon so drueckend sind dass man zum Aeussersten entschlossen ist. Die Tuerken sollten sich in der Hinsicht ein Beispiel an den Kiwis nehmen, dort wuerden sie bei solchen interkontinentalen Bruecken Schlange stehen um am Gummiseil runterzuspringen.

Ueberhaupt ist mein Eindruck, dass sie es mit dem Sport nicht so haben. Ihr groesstes Stadion, das Besiktas, fasst laecherliche 35.000 Leute - soviel haben im Maracana-Stadion in Rio schon auf der Pressetribuene Platz. Aktiv schaut es noch schlimmer aus, zuletzt habe ich in China ein derartiges Strassenbild ohne Laeufer gesehen. Obwohl der klassische Tuerkenschnauz langsam auszusterben droht, traegt auch der junge maennliche Tuerke bereits in seinen Zwanzigern mehr als einen Bauchansatz mit Wuerde vor sich her. Das muss wohl die vielgepriesene Brueckenkopffunktion zwischen Okzident und Orient sein - Tattoo und Bauch.

Angesichts des Wetters war ich aber ohnehin froh, dass der Fussweg ueber den von arktischen Stuermen gebeutelten Bosporus keine Option war. Die Zeit der kurzen Hosen scheint fuer heuer endgueltig vorbei, ich muss mich jetzt wohl wieder an so alberne Dinge wie Socken und lange Beinkleider gewoehnen. Zum Glueck bietet Istanbul in der Hinsicht einen traditionellen Ausgleich fuer unterkuehlte Tage: den Hamam. Ich dachte mir wer einen Taifun, Bungy, Vulkane und Favelas uebersteht und selbst den warmen Bruedern in Kapstadt von der Schaufel gesprungen ist, kann auch einen Besuch in einem traditionellen tuerkischen Dampfbad riskieren.

Nach zwei Saunagaengen hat mich ein mit dem Feingefuehl eines Fleischhackerhundes ausgestatteter Masseur bearbeitet, genau so wie man sich das als von einschlaegigen Agentenfilmen Vorgebildeter eben vorstellt. Kannte aehnliches schon aus der russischen Banja, und darf feststellen dass die tuerkische Variante etwas fuer Weicheier ist: keine Pruegel mit dem Birkenwedel, kein Vodka-Aufguss, kein Pflichtbier zwischendurch, keine von leichtbekleideten Damen servierte Schlachtplatte danach. Liegt wahrscheinlich daran, dass man sich in der Innenstadt eher am auslaendischen Touristen und dessen Gattin orientiert. Wie auch immer, es hat denke ich seinen Zweck erfuellt und ich muss meine abgefrorenen Zehen nicht amputieren.

Warum ich fuer Afrika schwarz sehe

Wenn man von Suedafrika nach Istanbul kommt, koennte der Kulturschock groesser nicht sein.

Im Gegensatz zu den lahmarschigen Suedafrikanern jedweder Couleur sind hier angefangen vom Flughafenpersonal ueber die Polizisten und Taxifahrer bis hin zu den Hotelangestellten, Kellnern und Haendlern in der Stadt alle wieselflink. Und zwar nicht nur im Tun, sondern vor allem im (Mit-)Denken und Rechnen. Sogar die verloren geglaubte Kulturtechnik des Kopfrechnens scheint hier durchaus noch verbreitet.

Es ist mir eine Woche lang weder in Johannesburg (der Groesse und Wirtschaftskraft mit Istanbul durchaus vergleichbar) noch in Kapstadt (immerhin ein Touristenmagnet) nicht gelungen meine verbliebenen brasilianischen Reals im Gegenwert von knapp 100 EUR umzutauschen. Selbst um die letzten Rand im Wert von 7 EUR loszuwerden musste ich drei Formulare ausfuellen und eine Viertelstunde einplanen.

In Istanbul hingegen hat die erste angesteuerte Wechselstube problemlos Reals gekauft. Selbst der urspruenglich vorgeschlagene Kurs war nicht mal unverschaemt, und nachdem ich via iPad die tagesaktuellen Bloomberg-Daten beigesteuert habe waren wir uns umgehend handelseins.

Natuerlich ist Istanbul nicht die Messlatte fuer die gesamte Tuerkei, aber Suedafrika nimmt ja auch fuer sich in Anspruch ueber den afrikanischen Durchschnitt herauszuragen. Zumindest nach meinen persoenlichen Eindruecken auf dieser Reise habe ich wenig Hoffnung fuer Afrika, wenn selbst die ANC Young Leader keine anderen Ideen haben als nach dem Staat zu rufen.

Immerhin ist auf die Schlamperei Verlass, trotz streng genommen illegaler Einreise hat auch bei meiner Ausreise niemand Interesse an meinem Pass gezeigt. Same procedure as last time: Inlandsflug nach Johannesburg und dort Boarding aus dem Transferbereich; nachdem ja fast alle Kapstadt-Fluege ueber Joburg laufen scheint dies ein offenes Scheunentor zu sein. Mir solls recht sein.