Das bevorzugte Transportmittel in Staedten wie Peking und Hong Kong ist die U-Bahn. Abgesehen vom Erlebnis an sich, wie ein falsch sortierter Thunfisch inmitten von Sardinen zu schwimmen, der unvermeidlichen Zwangsimmunisierung mit allen grassierenden Grippeviren (bzw. mit etwas Pech der Ansteckung mit dem aktuellsten Killer-Virus) und einer Gratis-Therapie fuer jeden von Klaustrophie geplagten Zeitgenossen, bietet es auch die Gelegenheit die tatsaechliche Nutzung von Smartphones zu studieren.
Ich habe es nicht fuer moeglich gehalten, aber Asiaten scheinen noch mehr auf ihre kleinen, elektronischen Freunde fixiert als dies in Europa auch bei 12jaehrigen der Fall ist. Praktisch jeder ausser mir hat in sein kleines Geraet gestarrt. Vielleicht ist dies die fernoestliche Variante vom Vermeiden des Blickkontaktes in Massentransportmitteln, womoeglich habe ich mit meinem Ethnologenblick sogar wie ein Hooligan gewirkt, der sich sein naechstes Opfer aussucht.
Mit ihren mittlerweile ziemlich grossen, hoch aufloesenden Bildschirmen waeren die aktuellen Exemplare das geeignete Instrument, um im taeglich mehrstuendigen Pendlerdasein weiter an Tolstois gesammelten Werken oder den Schriften von Konfuzius in zeitgenoessischer Interpretation zu lesen. So denkt jedenfalls der unbedarfte Auslaender.
Stutzig wurde ich jedoch, dass Konfuzius so intensiv gelesen wird, dass praktisch dauernd Eingaben am Touchscreen noetig sind. Nach naeherer Betrachtung und basierend auf meinen umfassenden empirischen Studien kann ich hiermit die ultimative Nutzungsstatistik von ca. 1,5 Milliarden Anwendern von Smartphones in Asien veroeffentlichen:
- Mit 75% eindeutig voran sind Computerspiele; dabei hat mit 90% ueberraschenderweise das gute alte Solitaer die Nase voran. Auch Tetris und alle Arten von Ballerspielen halten sich gut. Leider ist mir kein einziger mobiler Mah Jong-Spieler untergekommen, also nicht nur das Abendland steht kurz vor dem Untergang.
- Etwa 15% nutzen aktiv oder passiv Facebook und aehnliche Social Networking-Plattformen sowie Messenger-Dienste (E-Mails, SMS und MMS zaehle ich in diese Kategorie).
- Die verbleibenden 10% entfallen auf Musikhoeren, das Betrachten von Videos und - man hoere und staune - Telefonieren.
Nebenprodukt meiner Forschungsarbeiten ist eine Erklaerung, warum sich gerade hier Telefone mit Touchscreens so grosser Beliebtheit erfreuen und einen geschaetzten Marktanteil von annaehernd 100% haben.
Ueber die Schwierigkeiten des Erlernens der chinesischen Schriftzeichen habe ich ja schon berichtet. Nun ist es so, dass es auch in China selbst unter all denen, die die 5000-Zeichen-Matura irgendwie geschafft haben, Leute mit einer furchtbaren Sauklaue gibt. In Restaurants oder Bars habe ich mehrmals erlebt, dass der nachfolgende Kellner das Gekritzel des Vorgaengers beim besten Willen nicht entziffern konnte.
Moderne Smartphones bieten den unschaetzbaren Vorteil einer Schrifterkennungssoftware, so dass selbst ein Grobmotoriker mit drei Fingern die wunderbarsten Schriftzeichen aufs Tablet zeichnen kann. Mehrmals habe ich staunend beobachtet, wie aus ungelenken an Fliegenschiss erinnernden Krakeleien am iPhone wie von Zauberhand die wunderbarsten Kalligraphien wurden.
Fairerweise muss ich in diesem Zusammenhang auch jenen jungen Mann erwaehnen, der in der vollbesetzten MTR in Hong Kong zur Rush Hour seelenruhig in einer Paperback-Ausgabe von George Orwells 1984 gelesen hat. Vielleicht geht das Abendland doch eher vor die Hunde.
A propos Wahl des Transportmittels: Typhoon-Warnstufe III in Hong Kong, bin gespannt ob das heute noch was wird mit dem Flug. Immerhin, es haette schlimmer kommen koennen. Ich habe nur Handgepaeck und in der Senator-Lounge kann ich gratis duschen, schlafen, essen und ins Internet. So habe ich die Zeit wenigstens genutzt ein paar Eindruecke niederzuschreiben.