Mittwoch, 28. September 2011

God bless America

Jetzt weiss ich also auch wie sich eine Taifun-Warnstufe III anfuehlt. Auf IV und V verzichte ich dankend.

Ich wurde schon seekrank als das Flugzeug noch am Boden war. Wohlweislich habe ich den Wetterbericht schon die letzten Tage ueber verfolgt und nach dem Fruehstueck keine feste Nahrung mehr zu mir genommen.

Vertrauenserweckend war einzig der Captain auf diesem United-Flug. Er hat sich noch in der Parkposition als Bob aus Fort Worth, Texas vorgestellt - damit auch die Weicheier von der Ostkueste in der Business Class gleich mal wissen mit wem sie es zu tun haben. Mit seinem texanischen Akzent hatte ich mir eine Art John Wayne im Cockpit vorgestellt, der bereits in Vietnam als Militaerflieger die heiklen Missionen zu loesen hatte und nur wegen dieses Sauwetters fuer ein paar Tage aus der Rente reaktiviert wurde. Oder einen Kampfpiloten, der auf einem Flugzeugtraeger im suedchinesischen Meer stationiert ist und von United fuer diesen Flug angeheuert wurde.

Gluecklicherweise habe ich nicht Business oder First Class gebucht. Aufgrund der Turbulenzen, musste die Kabinencrew naemlich den ganzen Flug ueber angeschnallt auf ihren Sitzen bleiben, also wars nichts mit geschmorten Kaninchenohren, und die Liegesitze hat sicher auch keiner ausgenuetzt. Vor etwas heftigeren Passagen hat er sie ueber Lautsprecher jeweils nochmals daran erinnert sitzen zu bleiben.

Jedenfalls hat er uns sicher nach Singapur gebracht. Texanischer Pilot in einer Boeing auf einem UA-Flug, the full package, ganz wie Uncle Sam das gefaellt.
Guat ists gangen, nix is gschehn.

George Clooney, who else

Euch ist vielleicht das Foto mit den beiden Chinesinnen auf der grossen Mauer aufgefallen. Von der Art gibt es noch unzaehlige mehr. Das sind jedoch nicht meine Konkubinen, wie allenthalben schon gemutmasst wurde, sondern ich wollte damit nur zeigen, dass ich hier ein sehr beliebtes Fotomotiv bin.

Staendig wurde ich aufgefordert mit mir wildfremden Damen fuer Fotos zu posieren, und zu Beginn habe ich im Gegenzug eben auch um das eine oder andere gemeinsame Foto gebeten.

Bis gestern ging ich davon aus, dass der Grund fuer dieses Phaenomen der ist, dass man mich mit George Clooney verwechselt. Daher hatte ich auch Verstaendnis gezeigt und bin den Fotowuenschen gerne nachgekommen. Ich gebe zu, in gewisser Weise hat mir das geschmeichelt, und waere ich gestern nicht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurueckbefoerdert worden, haette ich wohl bald begonnen Autogrammkarten drucken zu lassen.

Nun wurde ich allerdings aufgeklaert, dass Asiaten grundsaetzlich gerne mit Europaern vor Sehenswuerdigkeiten posieren, warum auch immer. Tja, wie gewonnen so zerronnen.

Wozu Smartphones wirklich genutzt werden

Das bevorzugte Transportmittel in Staedten wie Peking und Hong Kong ist die U-Bahn. Abgesehen vom Erlebnis an sich, wie ein falsch sortierter Thunfisch inmitten von Sardinen zu schwimmen, der unvermeidlichen Zwangsimmunisierung mit allen grassierenden Grippeviren (bzw. mit etwas Pech der Ansteckung mit dem aktuellsten Killer-Virus) und einer Gratis-Therapie fuer jeden von Klaustrophie geplagten Zeitgenossen, bietet es auch die Gelegenheit die tatsaechliche Nutzung von Smartphones zu studieren.

Ich habe es nicht fuer moeglich gehalten, aber Asiaten scheinen noch mehr auf ihre kleinen, elektronischen Freunde fixiert als dies in Europa auch bei 12jaehrigen der Fall ist. Praktisch jeder ausser mir hat in sein kleines Geraet gestarrt. Vielleicht ist dies die fernoestliche Variante vom Vermeiden des Blickkontaktes in Massentransportmitteln, womoeglich habe ich mit meinem Ethnologenblick sogar wie ein Hooligan gewirkt, der sich sein naechstes Opfer aussucht.

Mit ihren mittlerweile ziemlich grossen, hoch aufloesenden Bildschirmen waeren die aktuellen Exemplare das geeignete Instrument, um im taeglich mehrstuendigen Pendlerdasein weiter an Tolstois gesammelten Werken oder den Schriften von Konfuzius in zeitgenoessischer Interpretation zu lesen. So denkt jedenfalls der unbedarfte Auslaender.

Stutzig wurde ich jedoch, dass Konfuzius so intensiv gelesen wird, dass praktisch dauernd Eingaben am Touchscreen noetig sind. Nach naeherer Betrachtung und basierend auf meinen umfassenden empirischen Studien kann ich hiermit die ultimative Nutzungsstatistik von ca. 1,5 Milliarden Anwendern von Smartphones in Asien veroeffentlichen:

- Mit 75% eindeutig voran sind Computerspiele; dabei hat mit 90% ueberraschenderweise das gute alte Solitaer die Nase voran. Auch Tetris und alle Arten von Ballerspielen halten sich gut. Leider ist mir kein einziger mobiler Mah Jong-Spieler untergekommen, also nicht nur das Abendland steht kurz vor dem Untergang.

- Etwa 15% nutzen aktiv oder passiv Facebook und aehnliche Social Networking-Plattformen sowie Messenger-Dienste (E-Mails, SMS und MMS zaehle ich in diese Kategorie).

- Die verbleibenden 10% entfallen auf Musikhoeren, das Betrachten von Videos und - man hoere und staune - Telefonieren.

Nebenprodukt meiner Forschungsarbeiten ist eine Erklaerung, warum sich gerade hier Telefone mit Touchscreens so grosser Beliebtheit erfreuen und einen geschaetzten Marktanteil von annaehernd 100% haben.

Ueber die Schwierigkeiten des Erlernens der chinesischen Schriftzeichen habe ich ja schon berichtet. Nun ist es so, dass es auch in China selbst unter all denen, die die 5000-Zeichen-Matura irgendwie geschafft haben, Leute mit einer furchtbaren Sauklaue gibt. In Restaurants oder Bars habe ich mehrmals erlebt, dass der nachfolgende Kellner das Gekritzel des Vorgaengers beim besten Willen nicht entziffern konnte.

Moderne Smartphones bieten den unschaetzbaren Vorteil einer Schrifterkennungssoftware, so dass selbst ein Grobmotoriker mit drei Fingern die wunderbarsten Schriftzeichen aufs Tablet zeichnen kann. Mehrmals habe ich staunend beobachtet, wie aus ungelenken an Fliegenschiss erinnernden Krakeleien am iPhone wie von Zauberhand die wunderbarsten Kalligraphien wurden.

Fairerweise muss ich in diesem Zusammenhang auch jenen jungen Mann erwaehnen, der in der vollbesetzten MTR in Hong Kong zur Rush Hour seelenruhig in einer Paperback-Ausgabe von George Orwells 1984 gelesen hat. Vielleicht geht das Abendland doch eher vor die Hunde.

A propos Wahl des Transportmittels: Typhoon-Warnstufe III in Hong Kong, bin gespannt ob das heute noch was wird mit dem Flug. Immerhin, es haette schlimmer kommen koennen. Ich habe nur Handgepaeck und in der Senator-Lounge kann ich gratis duschen, schlafen, essen und ins Internet. So habe ich die Zeit wenigstens genutzt ein paar Eindruecke niederzuschreiben.

Vegetarische Ente

Auch an China ist der Gesundheitswahn nicht spurlos voruebergegangen. Und entgegen dem gaengigen Vorurteil ist man durchaus imstande etwas eigenes zu schaffen, und nicht bloss unseren grossartigen "Vorsprung durch Technik" zu kopieren. So bin ich also in den Genuss meiner ersten vegetarischen Ente gekommen.

Dachte ich zunaechst an eine Variante der auch bei uns verbreiteten Mode des Tofu-Schnitzels, so wurde ich aufgeklaert, dass es sich dabei sehr wohl um das Fleisch einer echten Ente handelt. Im Verstaendnis der engstirnigen westlichen Muesli-Fraktion also ganz und gar pfui.

Konfuzius war jedoch entspannter als Martin Luther, und so sind die Chinesen bei der Definition des Vegetarismus weit flexibler als unsereins. Die vegetarische Komponente besteht naemlich darin, dass das Vieh in Pflanzenoel herausgebacken wurde, und nicht etwa in Butter oder Schmalz.

Essen ist ueberhaupt ein unerschoepfliches Thema in China. Fuer die Kantonesen gibt es das Sprichwort, dass sie alles essen das schwimmt, fliegt oder vier Beine hat - mit Ausnahme von U-Booten, Flugzeugen und Tischen. Der beruehmte Hund steht in manchen Provinzen tatsaechlich am Speiseplan, und mit eigenen Augen habe ich bestaunt wie aufgespiesste Skorpione genussvoll verspeist wurden (die Viecher haben kurz zuvor noch gelebt).

Auch Fahrer und Uebersetzerin haben dies nach eigenem Bekunden zum ersten Mal gesehen, anscheinend eine weitere regionale Besonderheit aus irgendeiner abgelegenen Provinz (oder die offizielle Sprachregelung der Regierung fuer Reisefuehrer, falls ein neugieriger Tourist zu viele Fragen stellt).

Einigkeit besteht hingegen darin, dass der Panda absolut tabu ist. Ein Chinese der einen Panda verputzt ist so wahrscheinlich wie ein Inder im Steak House.

So nah wie bei der Veggie-Ente war ich jedenfalls noch nie daran, mich zum Vegetarier bekehren zu lassen.

Man koennte diese Logik auch weiterfuehren, und beispielsweise jedes Tier das sich rein pflanzlich ernaehrt, als vegetarische Speise anzubieten. Schluss mit den anaemischen, lustfeindlichen Birkenstock-Traegern, ab jetzt fuehren die Argentinier mit dem welthoechsten Pro-Kopf-Verbrauch an Rindfleisch die Vegetarier-Bewegung an! Das Martini-Gansl als Wappentier der Gruenen!

Damit tun sich auch ganz neue Geschaeftsfelder auf, ploetzlich gibt es jede Menge uebergewichtige Vegetarier mit Bluthochdruck und Diabetes, die Fastenkuren und Personal Coaches benoetigen, welche auf die speziellen Beduerfnisse von Vegetariern zugeschnitten werden muessen.

Bestimmt finden sich dafuer auch entsprechende Ansaetze in der TCM. Drehen wir den Spiess also um, schlagen wir die Chinesen mit ihren eigenen Mitteln und behandeln ihre fetten Vegetarier mit in Kalifornien zertifizierten Methoden nach TCM-Prinzipien!

Telefonjoker

Man lernt ja bekanntlich nie aus, und wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.

Sollte ich jemals als Telefonjoker vor der kniffligen Frage stehen, ob der "grosse Vorsitzende" (so haben ihn alle Chinesen, die ich getroffen habe bezeichnet, auch jene die ihn offen ablehnen - so weit ist es also schon gekommen!) Mao vom 1, 10, 20 oder 100 Yuan-Schein laechelt, so kann ich nun auftrumpfen: Er prangt auf jedem einzelnen Geldschein in China!

Allein dadurch ist Mao allgegenwaertig und fest in den taeglichen Ueberlebenskampf integriert. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die juengeren Chinesen in ihm etwas anderes sehen als das Standardmotiv auf Geldscheinen, vermutlich gibt es aber nach wie vor eine nicht unerhebliche Dosis Gehirnwaesche in den Pflichtschulen.

Das waere uebrigens auch eine gute Anregung fuer Europa. Sollte der Euro scheitern, koennten wir je nach Ausgang der Wahlen Faymann, die Schottermizzi oder den strammen HC auf die neue Krone (oder Schilling, oder im Fall von HC die neue Reichsmark) drucken. Die Liebe und Dankbarkeit des Volkes werden unendlich sein.

Sein Portraet ist auch an prominenter Stelle am Eingang zur verbotenen Stadt angebracht. Dachte ich zunaechst, damit wollte man demonstrieren, dass man den Kaiser mit nassen Fetzen aus der Stadt gejagt hat und nun der Bauernluemmel Mao bzw. seine Epigonen das Sagen haben, so keimt bei naeherer Betrachtung doch Zweifel auf.

Immerhin besuchen tagtaeglich abertausende Chinesen aus allen Provinzen in (von der Partei organisierten?) Bustouren Peking, das Highlight (bzw. Pflichtprogramm) sind dabei zweifelsohne der Tienamen-Platz, Mao-Mausoleum und Kaiserpalast.

Nicht wenige von ihnen sind Analphabeten, die sich schon schwertun, von ihrem lokalen Dialekt abweichendes sog. "Hochchinesisch" zu verstehen, geschweige denn ein einziges Schriftzeichen lesen koennen. So etwa auch die Grosseltern meiner Uebersetzerin sowie die Eltern meines Fahrers, wie diese einmuetig erlaeuterten.

In der Pflichtschule lernt man ca. 5000 Zeichen, mit denen man einigermassen durch den Alltag kommt, so richtig fertig wird man damit jedoch nie. Fuer Ehrgeizige gibt es noch die Unterschiede zwischen traditioneller Schreibweise (mehr Schnoerkel, keine Satzzeichen, Schreibrichtung von oben nach unten und von rechts nach links) zum im Alltag gebraeuchlichen vereinfachten Alphabet zu ergruenden.

Daher meine These: will die Partei in ihrer unergruendlichen Weisheit mit dem Mao-Portaet am Hauptportal zum Kaiserpapast den Provinzlern nur verdeutlichen, dass hier Eintritt zu berappen ist?!

Man(n) traegt bauchfrei

Eine Beobachtung, die ich sowohl in Peking als auch in Hong Kong gemacht habe, ist der schoene Brauch chinesischer Maenner, bevorzugt aelterer Baujahre, bei Hitze das T-Shirt ueber den Bauch hochzuziehen und sich so der Nabelbeschau auszusetzen.

Es wirkt fuer den Fremden zunaechst eigenartig wenn erwachsene Maenner auf der Strasse in einer Art Bikini-Stil rumlaufen (bzw. meist sitzen), der Anblick erinnert ein wenig an die frueher im Ironman beliebten Tri-Tops, nur wirkt es bei den schmerbaeuchigen Mittelalten laecherlicher als ohnehin schon.

Ueber die Gruende fuer diese Freizuegigkeit im Alltag kann man lange gruebeln, hat es mit der kulturellen Revolution, dem omnipraesenten Staat mit seinen Spitzeln, oder der tief verwurzelten Weisheit des Taoismus zu tun?

Meine Reisefuehrerin konnte mir leider auch nicht weiterhelfen, sie stammt aus einer Provinz weiter im Nordwesten wo es nicht so heiss wird. Nach drei Jahren in Peking ist ihr das Phaenomen noch nicht aufgefallen, ein Indiz fuer die dritte These. Chinesen leben so dicht gedraengt, dass sie fuer Allzumenschliches eine beinahe unendliche Geduld und Nachsicht aufbringen, ob das durch ihre Religion(en) bedingt ist oder schlichtweg eine Notwendigkeit zum halbwegs friedlichen Zusammenleben, die von den Religionen formalisiert wurde, konnte ich Langnase leider nicht ergruenden.

Aber fuer ein paar skurille Photos hat es immerhin gereicht.