Freitag, 14. Oktober 2011

The Girl from Ipanema

Schoen langsam heisst es Abschied nehmen vom geruhsamen Aloha-Rhythmus und mich auf Rio einzustellen. Anstatt Hawaiian Reggae (Jawaiian Style wie unsereins sagt) steht jetzt Samba auf der Tagesordnung. Ich hoffe das Training in der Hitze hat sich gelohnt, und auch meine Reflexe sind noch schnell genug, um schwerbewaffneten Teenie-Gangs mit juckendem Zeigefinger in den Favelas zu entkommen.

Zuvor steht mir allerdings noch ein kleiner Haertetest bevor. Als sparsamer Holzklasse-Tourist gebe ich mir das volle Programm: Honolulu - Los Angeles - New York - Rio de Janeiro. Den Tag, den ich beim Ueberschreiten der Datumsgrenze gewonnen habe verliere ich postwendend ueber den Flyover States bzw. bei diversen Airport Security Checks.

Schlechte Nachrichten gibt es von der Waehrungsfront. Waehrend sich der EUR gegenueber dem USD die letzten Tage ganz gut behauptet hat, hat er dem BRL leider nichts entgegenzusetzen. Eine Bulgarin mit Gewerkschaftshintergrund floesst "den Maerkten" also offensichtlich mehr Vertrauen ein als die schwaebische Hausfrau mit Ossi-Akzent. Weit haben wir es gebracht!

Bei Durchsicht meiner Reiseunterlagen habe ich bemerkt, dass ich in Rio am Airport "Antonio Carlos Jobim" lande. Das waere doch auch eine Anregung fuer Wien-Schwechat, warum benennen wir unseren Flughafen nicht nach Falco!

Meinetwegen auch nach Hermann Maier, Didi Mateschitz oder Elfriede Jelinek, je nachdem in welchem Bereich wir ein Zeichen setzen wollen. Mir persoenlich wuerde der Falke am besten gefallen, aber aus budgetaerer Sicht sollte man wohl probieren die Idee dem Mateschitz schmackhaft zu machen. Den passenden Slogan hat er ja schon und fuer die Pfeifen die Haeupl und Proell dort installiert haben findet sich in seinem Reich schon irgendwo ein Platzerl, wo sie weich landen und keinen Schaden mehr anrichten koennen.

Globalisierung meets Aloha

Nicht nur in Europa sind wir gut im sinnlosen Transport von Feldfruechten und Milchprodukten. Auch die USA koennen in dieser Disziplin mehr als nur mithalten, vermutlich haben sie das Spiel sogar erfunden.

Zu meiner Ueberraschung befindet sich auf Big Island die angeblich groesste Rinderfarm der USA, die stolze Parker Ranch. In Texas habe ich letztes Jahr zwar eine unvergleichlich hoehere Dichte an Rindviechern gesehen, vergleichbar nur mit dem Nationalrat zu Wien bei Angelobung einer neuen Regierung, aber wer weiss, die Insel ist eben wie der Name schon sagt gross (wenngleich laecherlich klein im Vergleich mit Texas).

Das Bemerkenswerte daran ist nicht die Tatsache, dass man hier Rinder zuechtet. Die Berge dienen als Wolkenfaenger, Regen und somit Trinkwasser gibt es im Inselinneren also genug, die Boeden sind fruchtbar, Futter somit auch kein Problem. Das Bescheuerte daran ist die Tatsache, dass keine einzige Kuh auf Hawaii dem Verzehr zugefuehrt wird. Die schlachtreifen Tiere werden lebend auf Schiffe verfrachtet und nach Kanada transportiert, erst dort nimmt der gottgewollte Kreislauf von der Alm zum Big Mac seinen Lauf, alles natuerlich "Made in Canada".

Das auf Hawaii in nicht geringen Mengen verzehrte Rindfleisch stammt samt und sonders vom "Mainland". Aehnlich laeuft es bei Zucker, das hier wie der Bart Trifon Iwanows spriessende Zuckerrohr wird zum ueberwiegenden Teil in Kalifornien raffiniert und der Zucker teuer eingefuehrt. Bei Fruechten habe ich es nicht ganz durchschaut, jedenfalls schmecken die hier erhaeltlichen Ananas, Mangos, Melonen etc. deutlich besser als in Europa. Ich hoffe das liegt daran, dass sie vor Ort an der Sonne reifen, und nicht an den Chemikalien die waehrend des Transports vom (EU-subventionierten) groenlandischen Glashaus hierher zum Einsatz kommen.

Es ist wahrscheinlich auch der seelischen Gesundheit dienlich nicht alles zu wissen. Nicht umsonst hat meine Oma noch zwischen Ananas (=Erdbeeren) und Hawaii-Ananas (=Ananas) unterschieden, und selbst die kleinste Provinzpizzeria hat eine "Pizza Hawaii" im Angebot, das sind die mit den Dosenananas auf dem Analog-Schinken. Ich werde also im Glauben abreisen, dass ich nichts als hier gereiftes Obst und hier gefangene Fische verspeist habe.

Missionarsstellung

Als bildungshungriger Weltreisender habe ich herausgefunden, dass es sogar ein eigenes hawaiianisches Alphabet gibt. Und das immerhin schon seit etwa 150 Jahren. Die Missionare haben ihnen nicht nur den Gott aus Rom gebracht, sondern gleich auch die Buchstaben (und wahrscheinlich allerlei anderes Nuetzliches wie Feuerwasser, Schiesspulver, Blattlaeuse, Ratten, Syphilis etc., wie es in solchen Faellen eben ueblich war).

Zuvor war die hawaiianische Sprache eine bloss gesprochene Angelegenheit. Aufmerksame Leser wissen Bescheid, deshalb ja der Hula-Tanz zur Ueberlieferung der Traditionen usw.

Damit das Erlernen des lateinischen Alphabets unsere vollschlanken Leistungsfanatiker nicht vor unloesbare Probleme stellt und die Koepfe unter der gnadenlosen Sonne nicht zu sehr rauchen hat man jedoch kurzerhand die Haelfte der Buchstaben gestrichen; das hawaiianische Alphabet hat somit stolze 13 Buchstaben sowie ein paar Haceks zwecks Hilfestellung zur Aussprache. Nach der demuetigenden Erfahrung des arabischen und chinesischen Alphabets endlich wieder ein Erfolgserlebnis fuer uns Herrenmenschen!

Hawaiian Reggae

Eine weitere hawaiianische Spezialitaet, die in Europa meines Wissens nicht ausreichend gewuerdigt wird, ist der Hawaiian Reggae. Es gibt nicht nur einen eigenen Reggae-Radiosender, auch auf den anderen Sendern laeuft mehr Reggae als Blasmusik auf Radio Steiermark. Sowohl in den Bars als auch im Alltag, geht man etwa an einer Baustelle vorbei wo ein Radio dudelt, hat ein Eisverkaeufer eine Musikanlage in seinem Kiosk laufen, oder achtet man darauf womit die hiesigen Krocha beim Defilieren in ihren getunten, tiefergelegten Kisten Eindruck auf das weibliche Geschlecht machen wollen - dann ist das in der Regel Hawaiian Reggae.

Wiewohl kein Experte klingt der fuer mich voellig gleich wie Reggae aus Jamaica. Als einzigen Unterschied konnte ich ausmachen, dass immer dann wenn in einer Textzeile ein Bezug zu "Jamaica" oder "Kingston" vorkommt, dieser durch "Hawaiian" ersetzt wird.

Das einzige was am Hawaiian Reggae vermutlich wirklich "homegrown" ist, ist das Kraut mit dem Kuenstler wie Publikum ihre Ofen bauen.

Maui no ka oi

Maui ist die Lieblingsinsel der Amerikaner und Japaner, und das nicht ganz zu unrecht. Analog zu Big Island gibt es im Norden/Osten die feuchte Wetterseite und im Sueden/Westen das trockene Klima mit den Traumstraenden, mittendrin ein (in diesem Fall erloschener) Vulkan als Wetterscheide. Dazu zig Golfplaetze und Luxusresorts sowie Ananas- und Zuckerrohrplantagen. So weit so gut.

Eine hawaiianische Spezialitaet, die man in meiner Wahrnehmung auf Maui noch staerker zu verkaufen versucht als auf den anderen Inseln, sind die "Luhau". Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Art Ritteressen kombiniert mit den unausweichlichen Hula-Shows. Vor allem bei deutschen Touristen im vorgerrueckten Alter scheint so etwas sehr beliebt. Vielleicht hat ja Helmut Kohl mal unbeabsichtigt den hiesigen Rekord im Spanferkelessen aufgestellt und Maui ist jetzt ein Wallfahrtsort fuer die "Generation Bonn".

Nach meiner Ankunft habe ich zunaechst mit meinem Mustang Cabrio die Kuestenstrasse nach Hana unter die Raeder genommen, und weil ich schon aufgewaermt war auch gleich den Rest der Insel. Es bleibt unter uns, aber man kann mit ein wenig Risikobereitschaft (und fuer die sandigen Passagen herausnehmbaren Fussmatten zum Unterlegen unter durchdrehende Hinterraeder) auch die von den Mietwagenfirmen streng verbotenen sogenannten "rough roads" meistern und somit eine komplette Inselrunde absolvieren. Der Mustang ist im Grunde eine weiche Heckschleuder mit veralteter Technik, aber vielleicht macht er gerade deshalb so viel Spass. Motor vorne, Antrieb hinten, wenig Elektronik - und die ist abschaltbar - was braucht man mehr zur Organspende!

Danach habe ich dem D.T. Fleming Beach Park einen Besuch abgestattet, laut "Dr. Beach" (den gibt's wirklich, schlag nach bei Google) in irgendeinem Jahr der beste Strand der USA. Nachdem ich weder zum Heiraten noch zwecks Honeymoon auf Maui war, und es nach dem besten Strand eigentlich nur noch bergab gehen konnte - wen interessiert schon der dritt- oder viertbeste Strand! - habe ich beschlossen einem Marlin den Garaus zu machen und mich einer Gruppe Alaskaner (heissen die wirklich so?) angeschlossen, die ein Boot zum Hochseefischen gechartert hatten.

Reden wir nicht lange um den heissen Brei herum, auch Hochseefischen bleibt Fischen. Das heisst frueh aufstehen (4am), mit dem Boot rausfahren, jede Menge Koeder auswerfen und dann warten. Und warten. Und warten. Der einzige Unterschied zum Fischen bei uns ist der, dass das Boot staendig in Bewegung bleiben muss und man Laermen kann soviel man will, weil Raubfische durch Bewegung angelockt werden. Soweit die Theorie. Auch die Sache mit dem Fischradar funktioniert ungefaehr so gut wie Constantinis Taktik zur EM-Qualifikation. Bilanz: eine Rettungsweste ohne Inhalt und zwei groessenwahnsinnige Thunfische in Forellengroesse, die wir in weiterer Folge als Koeder benutzt haben.

Die Freunde aus dem hohen Norden waren im Hochseefischen erfahrener und haben zwei Kisten Bier sowie jede Menge Chips und anderes ungesundes Zeug mitgenommen, um die Zeit zu verkuerzen. Dankenswerterweise mehr als genug, um auch die Landratte, die mit Mineralwasser und drei Muesliriegeln als Verpflegung eingecheckt hat, durchzufuettern. Und so war es irgendwie doch ein netter Bootsausflug vor Hawaii und am Ende wussten wir gar nicht mehr warum wir eigentlich rausgefahren sind.