Montag, 24. Oktober 2011

El Condor pasa

In Brasilien habe ich einen weiteren Punkt auf der langen Liste an Dingen realisiert, die mir seit meiner Abreise so ueberhaupt nicht abgehen. Und zwar bin ich hier das erste mal seit langem wieder auf eine Truppe jener peruanischen Panfloetenspieler gestossen, die die Fussgaengerzonen zwischen Hammerfest und Gibraltar fest im Griff haben.

Ein autoritaeres Regime hat also nicht nur Nachteile. Ich weiss nicht ob die ersten Ankoemmlinge aus den Anden im Hafen von Shanghai unter Quarantaene oder gleich ins Haef'n gesteckt wurden, oder ob sie vom wuetenden konfuzianischen Mob geteert und gefedert den Rueckzug angetreten haben, jedenfalls stelle ich fest, dass es diese Landplage in China nicht gibt.

Darueber, wie die USA die hawaiianischen Inseln kondorfrei halten, moechte ich lieber nicht oeffentlich spekulieren solange ich noch einen Transatlantikflug vor mir habe. Brasilien hingegen hat natuerlich keine Chance, in Rio und Sao Paulo geht es zu wie in der Fussgaengerzone von St. Poelten. Mit einem bemerkenswerten Unterschied immerhin, Sankt Paul ist frei von jedweder Aussenwerbung, keine Plakate, keine Werbeschilder auf Hauswaenden, keine leuchtenden Bushaltestellen und sonstige optische Umweltverschmutzung, waehrend in Sankt Poelten der Heilige Erwin nicht nur in den Amtsstuben von den Waenden lacht (oder fletscht er die Zaehne?).

Jenseits von Afrika

Nun geht auch die Zeit in Brasilien langsam aber sicher zu Ende. Als gruendlicher Mensch wird natuerlich kein Erdteil auf meiner Weltreise vernachlaessigt, und so geht es morgen nach Afrika. Nachdem Libyen gerade nicht so angesagt ist und ich aus unerklaerlichen Gruenden ohnehin eine Vorliebe fuer Cricket spielende Nationen habe, fiel meine Wahl auf Suedafrika.

Zum Abschied von Brasilien steht aber zunaechst noch eine Stippvisite in Sao Paulo an. Ganz Hardcore-Tourist habe ich fuer meinen Transit-Aufenthalt schon einen Veranstalter kontaktiert der je nach Zeitbudget individuelle Stadtfuehrungen anbietet. Ob ich diese Option dann tatsaechlich ausuebe entscheide ich je nach Verkehrssituation (in der Luft und zu Lande) und meiner Laune beim Rasieren. Mit 17 Millionen Einwohnern erwartet mich in Sao Paulo an einem Montagvormittag vermutlich einiges an Betriebsamkeit. Ich erlaube mir in dem Zusammenhang die Dietrich zu zitieren: "Rio ist eine Schoenheit, aber Sao Paulo, Sao Paulo ist eine Stadt".

Wenn ich schon am Zitieren deutscher Originale bin, will ich auch Peter Scholl-Latour meine Referenz erweisen. Wie auch immer man sonst zu ihm stehen mag, in Bezug auf Brasilien hat er die meines Erachtens bemerkenswerte Feststellung gemacht, dass es in der Tat erstaunlich ist wie ein heute kleines, kraftloses Land wie Portugal, am aeussersten Rand eines sterbenden Kontinents gelegen, es fertiggebracht hat dass in einem vitalen "Tigerstaat" des 21. Jahrhunderts seine Sprache gesprochen wird. Nehmen wir beispielsweise uns als Vergleich, selbst in der heute bisweilen als glorreich verklaerten "guten alten Zeit" waren unsere aeussersten Vorposten keine sechs Autostunden von der Reichs-, Haupt- und Residenzstadt entfernt, und bis auf einige wenige aussterbende Sprachinseln sind alle froh heute nichts mehr mit uns und der deutschen Sprache am Hut zu haben. Amen.

Wenn man den Reisewarnungen des deutschen Aussenamtes trauen kann reise ich uebrigens von einem schwarzen Loch zum naechsten. Waehrend ich mich in Brasilien mit meinem mediterran anmutenden Aeusseren noch problemlos auch durch die weniger empfehlenswerten Viertel schwindeln konnte, zumindest solange ich den Mund halte, wird mir das in Suedafrika beim besten Willen nicht gelingen, selbst wenn ich mit der Petzner Air fliege.

Mein Bedarf nach Nervenkitzel ist bis auf Weiteres aber ohnehin gestillt. Keine Ahnung welcher Teufel mich da geritten hat, aber gestern habe ich spontan beschlossen den Weg vom Sambadrom zum Stadttheater (in der Bedeutung fuer die Stadt unserem Burgtheater vergleichbar) nicht mit der Metro zurueckzulegen, sondern die fuenf Stationen zu Fuss zu gehen. Dass ich dabei durch zwei Favelas muss war mir schon bewusst, mir war allerdings nicht klar was mich dort erwartet. Vielleicht bin ich in der Hinsicht etwas verweichlicht, aber ich muss zugeben dass mir der Anblick von abgerissenen Typen die barfuss mit einem Sturmgewehr am Strassenrand hocken nicht eben Vertrauen eingefloesst hat.

Auf Fotos habe ich verzichtet, ich habe Kamera und Telefon so tief wie moeglich in den Taschen verschwinden lassen und getrachtet ohne Feindkontakt (und vor allem ohne angesprochen zu werden) dort wieder rauszukommen. Was mir offensichtlich geglueckt ist. Ob es wirklich gefaehrlich war weiss ich nicht, jedenfalls hat es auf mich ziemlich bedrohlich gewirkt. Obwohl Kapstadt auch fuer solche Viertel bekannt ist, ist meine diesbezuegliche Neugier ziemlich gedaempft und ich werde dort wohl eher den ausgetretenen Touristenpfaden folgen.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache: die All Blacks haben es tatsaechlich geschafft und vor heimischem Publikum im Eden Park zu Auckland die Rugby-WM gewonnen! 8:7 gegen den Angstgegner Frankreich, ein knappes Hoeschen wie Alex Wurz sagen wuerde, aber egal, was zaehlt ist der Titel!

Culinarium: Addendum

Beinahe haette ich eine der skurrilsten Spezereien unterschlagen: ob am Strand, im Fussballstadium, beim Warten auf die U-Bahn oder im Bus. Wann immer den Carioca der kleine Hunger zwischendurch plagt ist "Globo" nicht weit.

Es handelt sich dabei um Biscuit-Krapferl (fuer die paar Germanen unter den Lesern: schlagt selber im Woerterbuch nach) die in Chips-Sackerl (dt. Tueten, bin ja nicht so) aus Papier verkauft werden. Soweit ich es ueberblicke gibt es zwei Geschmacksrichtungen, salzig und suess. Die Connaisseurs erkennen das an der Packungsfarbe, als Tourist lohnt es sich durchaus zweimal nachzufragen und gegebenenfalls Passanten um Hilfe zu bitten wenn man nicht mit Vanillekipferl zum kuehlen Blonden enden will.

Meine Sache sind sie nicht, aber man kann es durchaus mal probieren, ausserdem sind die Packungen nicht sehr gross und wenn es einem ueberhaupt nicht zusagt gibt es genuegend Bettler die das Zeug dankend annehmen. Bleibt zu hoffen, dass sich nicht die heimischen Junk Food-Hersteller davon inspirieren lassen und eines Tages Eierlikoer-Soletti (die muessten dann eigentlich Ovoliquoretti heissen) oder Manner-Schnitten in der Geschmacksrichtung Heringsschmaus auf den Markt bringen.