Donnerstag, 29. September 2011

Aussie Rules

Hong Kong und Singapur moegen in Asien liegen und den Hauch des britischen Empire atmen. Keiner kann ihre hervorragende Stellung in der globalen Finanzwelt und ihre Bedeutung als Umschlagplaetze des Welthandels bestreiten.

Im Alltag aeussert sich das britische Erbe jedoch in erster Linie an einer ungemeinen Praesenz und Dominanz von Australiern und ihrer "Kultur". Haetten die Tuerken Oesterreich nur annaehernd so selbstbewusst gepraegt wie die Aussies es hierzulande tun, so wuerden im Schweizerhaus anstatt Stelze und Bier Pfefferminztee und eine Shisha serviert.

Um es auf den Punkt zu bringen: die Typen in ihren teuren Anzuegen, genagelten Schuhen und den gestaerkten weissen Hemden mit eingestickten Initialen und goldenen Manschettenknoepfen kippen nach einem anstrengenden nine to five Tag in einem der Hochhaeuser von JP Morgan, HSBC etc. selbst fuer mich unvorstellbare Mengen an Bier hinunter. Und das taeglich. Am Wochenende ohne Krawatte und schon ab Mittag.

So ab dem zehnten Bier, also etwa ab 21:00, wenn hierzulande die beliebten Happy Hours zu Ende gehen, darf es dann gerne auch mal lauter zugehen und die eine oder andere Meinungsverschiedenheit handfest geregelt werden. Das darf man aber nicht so eng sehen, das ist wie bei grossen Hunden, die wollen nur spielen, und nach ein paar Watschen vor der Tuer hebt man das naechste Bier gemeinsam.

Einschraenkend muss ich anmerken, dass letzteres nur auf Hong Kong zutrifft bzw. ich es jedenfalls nur dort erlebt habe. In Singapur scheint es grosso modo etwas zivilisierter zur Sache zu gehen.

Dementsprechend schauen die Typen natuerlich auch aus. Alle eher bullig gebaut, vermutlich zu Highschool-Zeiten im Rugby-Team, erste Anzeichen einer Wampe die auch die Massanzuege nicht kaschieren koennen, und samt und sonders einen roten Schaedel. Man hat am Abend in jeder beliebigen Bar oft das Gefuehl bei Madame Tussaud's zu stehen und lauter Wayne Rooney-Figuren in verschiedenen Verkleidungen zu sehen. Das gilt uebrigens auch fuer die Frauen.

Trotzdem bleiben sie wie echte Aussies natuerlich auch im sturzbetrunkenen Aggregatzustand liebenswert und freundlich. Selbst ein kurzbehoster Schlapfentraeger aus Europa wird akzeptiert, solange er jede Runde mittrinkt und auf die Schlitzaugen schimpft.

Die Aelteren um die 50 haben sich besser im Griff, die steigen nach vier bis fuenf Litern Bier dann auf die haerteren Sachen um, und stehen trotzdem bis weit nach Mitternacht gerade wie die Wachen vor dem Buckingham Palace - Trinkfestigkeit scheint das hervorragendste Kriterium fuer eine Karriere im Finanzsektor zu sein.

Ob ich nach dem Studium in Sydney haette bleiben sollen...?