Das bitte nicht falsch zu verstehen, man hat hier aus einer Opiumhoehle voller Nutten mit einem unertraeglich feucht-warmen Klima innerhalb von 30 Jahren ein Weltfinanzzentrum mit dem weltweit groesstem Containerhafen geschaffen, in Europa koennen wir von Politikern mit solchen Anspruechen und Visionen leider nur noch traeumen.
Die Kehrseite dieser Medaille verdeutlicht sich allerdings am besten in der Transkription des Originaltextes meiner Stadtfuehrung: Shopping, Shopping, Shopping, to your left the oldest Shopping Mall, now we are approaching the most exclusive Shopping street, this is the first Shopping Center with Air Condition, Shopping, Shopping, Shopping, this venue is popular both with tourists and local shoppers, if you are out for Computers this is the place to go, here you get Chinese artworks, usw. usf.
War die Shopping-Fixierung schon in Hong Kong fuer meinen Geschmack zu viel, so wird es hier wirklich unertraeglich. Andererseits, angesichts der Temperatur und Luftfeuchtigkeit weicht man auf Sicht zwangslaeufig auf Indoor-Aktivitaeten aus, und wie ueberall geben wahrscheinlich die Frauen den Ton an, und so verbringt man hier seine Wochenenden beim Geldausgeben in den Malls, um am Montag wieder zu wissen wofuer man antritt.
Die Menschen sind unglaublich freundlich und hilfsbereit, aber es wirkt auf mich irgendwie erzwungen, es liegt ein bisschen was von Minsk in der Luft. Geradezu skurill wirkt es beispielsweise wenn bei Rot an der Fussgaengerampel alle stehenbleiben, obwohl weit und breit kein Auto zu sehen ist. Ohne es erlebt zu haben, aber ich glaube so obrigkeitshoerig und unterwuerfig war man in unseren Breiten vielleicht das letzte Mal in Stuttgart in den 1950er Jahren.
Hin und wieder kommt ein augenzwinkender Hinweis auf die "Police" oder das "Government". Beispielsweise gibt es seit einiger Zeit einen Speaker's Corner, den man aber nur nach vorheriger Anmeldung bei der Polizei nutzen darf, was die Nachfrage gegen Null gehen laesst.
Was ich nicht bestaetigen kann ist das Geruecht der sauberen Strassen. Hier liegt ebenso viel Dreck, Zigarettenstummel, Papier, Plastikflaschen, Kaugummireste etc. herum wie ueberall sonst auch. Um die Probe aufs Exempel zu machen habe ich vor dem Parlament, unter den Augen der Polizei, meinen Dreck auf die Strasse geworfen. Nicht ohne vorher die Nummer der oesterreichischen Botschaft im Handy eingespeichert zu haben, man hat ja abenteuerliche Geschichten zu diesem Thema aufgeschnappt. Aber, oh Wunder, ich wurde nicht umgehend verhaftet, ja nicht mal ermahnt, geschweige denn mit einer Geldstrafe belegt.
Vieleicht liegt das aber auch daran, dass erst letzten Sonntag der F1 Grand Prix hier Station gemacht hat, und die Stadt noch mit den Aufraeumarbeiten beschaeftigt ist und irgendwie alle Ordnungskraefte erschoepft sind.
Ein Kontrast zu den bisherigen Destinationen ist der knapp 10% Anteil an Indern, der sich vor allem in Little India, aber auch sonst im Strassenbild sehr deutlich von den bisherigen chinesischen Eindruecken abhebt. Neben dem Boat Quai, der das Ausgehviertel der hier lebenden und arbeitenden Auslaender (vornehmlich Aussies) ist, schien mir in Little India mithin noch am meisten los zu sein.
Einen interessanten Aspekt kann ich noch nicht einordnen. Singapur ist wie Malaysien insgesamt ein muslimisch dominiertes Land (bzw. Stadtstaat). Es stehen in der Stadt verteilt einige Moscheen rum, die zwar im Stadtplan eingezeichnet sind, von den Stadtfuehrungen aber geflissentlich uebergangen werden, waehrend beispielsweise Hindu-Tempel, anglikanische und katholische Kirchen sowie buddhistische Tempel explizit angefahren werden. Weiters, bezogen auf die Bevoelkerung und verglichen mit zB Sarajevo hat die Stadt nicht mal 10% der Moscheen, die in Sarajevo wie Schwammerl aus dem Boden spriessen. Warum?
Diese Zeilen tippe ich uebrigens in einer Micro Brewery am Boat Quai, die aktuelle Spezialitaet des Monats ist ein "Oktoberfest Brew" mit geschmeidigen 6% Alkoholgehalt, dazu empfiehlt der Chef "Pork Belly" oder "Pork Schnitzel".
So ganz ernst scheint man die Sache mit der Scharia also noch nicht zu nehmen.