Mittwoch, 26. Oktober 2011

Neues aus der Heimat der Boerewors

Nach der Aufregung um meine Unterkunft habe ich mich mittlerweile in Kapstadt ganz gut eingelebt und alle "Pflicht-Sehenswuerdigkeiten" brav abgearbeitet. Als hauptberuflicher Tourist habe ich inzwischen eine beaengstigende Effizienz entwickelt, demnaechst kann ich als Controller bei einem japanischen Reiseveranstalter anheuern und das "Europe in a day"-Programm um einige Stunden verkuerzen. Und das Personal im Hotel ist auch ganz ganz nett und so suess, also ehrlich, ich kann mich gar nicht entscheiden...
So schoen Kapstadt auch ist, sobald man etwas an der Oberflaeche kratzt wirkt es ein bisschen neurotisch. Das Ende der Apartheit ist jetzt zwanzig Jahre her, keine Ahnung ob die Stimmung bei uns zwanzig Jahre nach dem Krieg auch so war. Man hat oft das Gefuehl, dass Alltagssituationen jederzeit eskalieren koennen. Ueberall Stacheldrahtzaeune und (bezeichnenderweise schwarze) Security-Dienste, die staendigen Warnungen nach Einbruch der Dunkelheit bestimmte Strassenzuege (auch im Zentrum) zu meiden usw. usf.. Man kann das wie die meisten Touristen problemlos ausblenden und nur "gute" Gegenden aufsuchen, aber so richtig ueberzeugt mich Suedafrika abseits der Natur bislang nicht.
Grosse Unterschiede zwischen Arm und Reich sieht man in China und Suedamerika ebenso, selbst in den USA und europaeischen Grossstaedten sind sie allgegenwaertig. Aber hier kommt das auch fuer einen Aussenstehende spuerbare Gefuehl dazu, dass einem Teil der Bevoelkerung die Schuld dafuer gegeben wird (und er diese auch annimmt, gleichzeitig aber der Meinung ist dass seine einstige Dominanz qua natura auch gerechtfertigt ist), waehrend sich der grosse Rest zwar moralisch und politisch ueberlegen fuehlt, sich aber an den Lebensumstaenden de facto wenig veraendert hat.
Schon klar, ich bewege mich da auf einem Minenfeld, aber ich schildere hier ja auch am Nationalfeiertag nur meine privaten Reiseeindruecke. Es ist nun mal so, dass hier Strassenkehrer, Regalschlichter im Supermarkt, Taxifahrer etc. alle schwarz sind, waehrend ich bei den anzugtragenden Rauchern vor dem Buerogebaeuden mindestens 2/3 Weisse wahrgenommen habe. Bei den Feierabendjoggern und -radfahrern stellen die Weissen gefuehlte 99%, waehrend das Verhaeltnis bei den Obdachlosen und Strassenverkaeufern genau umgekehrt ist. Ob das auch unsere Zukunft ist, wenn wir bestimmte Einwanderergruppen nicht vernuenftig ins hoehere Bildungssystem integrieren? Ur-Oesterreicher (klingt wie Auerochsen) in bewachten Seniorensiedlungen? Ich bin Franz und nicht Thilo, stelle nur fest dass ich keine Garden Route und keine Kruger-Safari brauche wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen derart prekaer sind.
Als Hardcore-Tourist ficht mich all das natuerlich wenig an, zumal der Rand sowie das Preisniveau im Vergleich mit Brasilien und Hawaii erfreulich guenstig sind, Euro-Krise hin oder her. Robben Island, die Gefaengnis-Insel von Nelson Mandela, werde ich trotzdem leider verpassen: ausgerechnet fuer diese Woche haben die Gewerkschaften naemlich einen Streik beschlossen, die naechste Faehre geht exakt zu dem Zeitpunkt wo mich mein Taxi Richtung Flughafen abholt. Immerhin waren die Streikposten vor dem Terminal der Faehre sehr musikalisch und haben gute Stimmung verbreitet, und sogar einige Robben haben sich in den Hafen verirrt. Und Madiba hat ist ja auch mit der Statue am Nobel-Square, einer Strasse, einem Hotel (der Pink Lady) etc. auch am Festland ausreichend gut repraesentiert.
Nachdem ich die Pflicht wie erwaehnt erledigt habe folgt jetzt die Kuer. Morgen werde ich einen auf Bildungsbuerger machen und den Operationssaal besuchen wo Christiaan Barnard seinerzeit die erste Herztransplantation ueberhaupt durchgefuehrt hat; sogar sein durchgeschwitztes Hemd gibt es zu bewundern wurde angekuendigt. Hoffentlich kann ich angesichts dieser Aussichten ueberhaupt schlafen. Danach konzentriere ich mich auf meine eigentlichen Vorlieben, sprich nebst Laufen und Lesen werde ich Jagen, Fischen und die unzaehligen Weingueter Suedafrikas besuchen. Der letzte Punkt alleine rechtfertigt eine Wiederkehr zwecks Konkurrenzbeobachtung, vielleicht sollte ich nach dieser Reise ueberhaupt auf dieses Metier umschwenken. Dass ich Ausfluege zum Jagen und Fischen gebucht habe hat mich nach meiner Einschaetzung uebrigens vor Uebergriffen der "Boys" im Hotel bewahrt, ansonsten geht man hier offenbar nur zum Whale Watching. Ganz kann ich meine Entdecker-Natur aber nicht verleugnen, und so werde ich im Rahmen einer Weintour auch dem Kap der guten Hoffnung einen Besuch abstatten, sicherheitshalber jedoch zuerst das Kap, dann der Wein, es sollen ja brauchbare Fotos dabei herausschauen.